Veliko Tarnovo sei wie ein Adler, der seine Schwingen um die Berge gelegt habe, auf denen die Stadt errichtet wurde. Gut, ganz erkennen konnte ich dieses Selbstbild der Stadt am Fluss Jantra nicht, aber Berge, Flusslauf und ganz viel Geschichte sind hier allgegenwärtig – immerhin handelt es sich bei Veliko Tarnovo um die frühere Hauptstadt Bulgariens. Hier ein Reisebericht über eine bulgarische Kleinstadt, die nicht auf jeder Reiseroute liegt.

Nach Varna und Kawarna war Veliko Tarnovo die dritte Station meiner Bulgarienreise und die weiteste Autofahrt. Von Varna kommend gibt es bis Schumen zwar eine Autobahn, aber die zweite Hälfte der gut 240 Kilometer über normale Landstraßen zieht sich, denn dies ist auch eine zentrale Achse nach Sofia und oft hängt man im Gebirge hinter einem LKW.
Warum also Veliko Tarnovo? Für mich lag der Reiz dieser ca. 70.000 Einwohner zählenden Stadt in ihrer Mischung aus Geschichte, schönen Altstadtgassen, verwinkelten Ecken und dem Gefühl, im echten Bulgarien zu sein.

Veliko Tarnovo ist eine verwinkelte Stadt und um sie zu erkunden, folgt man am besten erst einmal der Hauptstraße, der ulitsa Stefan Stambolov. Diese zentrale Achse vereint viele Geschäfte, Cafés und Restaurants, verläuft quer durch die Stadt und endet etwa an der mittelalterlichen Burganlage. Dabei öffnet sich der Blick nach rechts und links immer wieder in das Tal der Jantra. Am Fluss selbst kann man leider nicht entlang flanieren, aber es ist spannend zu sehen, mit wie vielen Windungen er die Stadt durchschlängelt. Dabei vermittelt Veliko oft das Gefühl, man befinde sich in einem Park, so häufig blickt man auf bewaldete Hügel. Eine Drehung reicht jedoch, um wieder auf die steilen, bebauten Stiegen zu blicken, an denen die Häuser ein wenig zu hängen scheinen.

Wer die Stambolov rechts und links verlässt, also leicht bergan oder bergab geht – denn Veliko ist eine hügelige Stadt -, erreicht die kleineren Altstadtgassen. Besonders schön renoviert ist die ulitsa Georgi S. Rakovski , hier kann man den alten Glanz der Stadt spüren. Heute befinden sich hier jedoch leider fast nur noch Geschäfte mit Touristennippes. Mein persönliches Highlight der Altstadt waren die kleinen Gassen rund um die Nikolaikirche. Hier zeigt sich der alte Stadtkern zwar weniger renoviert, aber gerade dadurch authentisch und charmant. In diesen Gassen liegt auch mein Tipp für ein gutes, familiengeführtes Restaurant, das „Slavianska Dusha„.

Wer die Rakovski jedoch bis zum Ende geht, trifft auf die wirklich nette „Art Bar Hipster„: Außen sitzt man mit Blick auf die kleinen Gassen vor einem Street-Art-Gemälde, innen ist das kleine Café alternativ eingerichtet. Ein Muss für jeden Touristen scheint das sogenannte Affenhaus zu sein, ein hübsches Altstadthäuschen mit einer (wirklich kleinen) Affenskulptur.


Veliko Tarnovo präsentiert sich also als lebenswerte Stadt. Außerdem vereint sie, mitten im Balkangebirge gelegen, viel Geschichte auf sich und kann als Wiege der bulgarischen Kultur gelten: Schon im Mittelalter hatten sich die bulgarisch-orthodoxen Patriarchen hierhin zurückgezogen, um im Gebirge Schutz vor den mächtigen Widersachern aus Konstantinopel zu finden. Die riesige Burganlage der Stadt mit mächtiger Kirche zeugt von dieser Zeit und lohnt für eine Besichtigung; neben der Historie bekommt man für wenige Leva einen schönen Überblick über die Stadt.

Im 12. Jahrhundert, als sich Teile des heutigen Bulgariens von Byzanz lossagten, diente die Stadt gar als Hauptstadt. Unter den Osmanen entwickelte sich die heutige Altstadt, die geprägt ist von alter türkischer Bauweise: Viele Häuser stehen auf einem schmaleren Backsteingrund, um sich im hölzern vertäfelten ersten Stock leicht zu verbreitern.


Im Zuge der Nationalbewegung im 19. Jahrhundert wurde Veliko Tarnovo im russisch-türkischen Krieg von russischen Truppen erobert, was letztendlich zur Gründung eines ersten neuzeitlichen bulgarischen Staates führte. An den russischen General Gurko erinnert auch eine der zentralen Altstadtstraßen. Überhaupt merkt man in dieser Stadt, wie sehr die osmanische Zeit noch am bulgarischen Selbstverständnis nagt und wie stolz man im Land auf die Staatsgründung 1878 ist.

Ich kann euch Veliko Tarnovo also empfehlen, insbesondere all denen, die an Geschichte interessiert sind. Die Stadt eignet sich perfekt für einen oder zwei Tage, denn bei nur 70.000 Einwohnern hat man natürlich alles schnell gesehen. Wer jedoch einen Stopp in Bulgarien sucht, der nicht auf jeder Reiseroute liegt, der ist hier richtig!
Und wenn ihr noch einen Tipp für eine Unterkunft braucht: Ich selbst habe im Hotel Allegro gewohnt, das sich zwar auf der anderen Seite der Altstadt befindet, dafür jedoch schön ruhig an einem kleinen Park liegt und mich mit großen Zimmern überzeugt hat.

Hallo,
Miniaturen – Park in der Stadt Veliko Tarnovo. Der offizielle vollständige Name lautet “ Tarnovgrad – der Geist des tausendjährigen Bulgariens“. Er wurde September 2017 eröffnet. Er umfasst mehr als 80 Miniaturgebäude und Denkmäler. Grüssle Paul Bilder auf meiner Werbefreien HP.