Ihr liebt Städtereisen, aber Bukarest steht noch nicht auf eurer bucket list? Dann solltet ihr das schnell ändern, denn Bukarest ist eine unglaubliche vielfältige und lebendige Stadt, die ich euch für einen Kurztrip sehr ans Herz legen möchte!
Bukarest sah und sieht sich als Paris des Ostens, Klein Paris, Micul Paris. Prachtbauten aus dem 19. und frühen 20. Jahrhundert sind allgegenwärtig und prägen noch immer ganze Straßenzüge. Die Dichte an Jugendstilbauten in dieser durch und durch lebendigen Stadt hat mich tatsächlich beeindruckt!
Ganz im Gegensatz dazu kannte ich vor meiner Reise nur das klischeetypische ABC für die 1,8-Millionen-Metropole Bukarest: Armut, Beton, Ceaușescu. Umso positiver hat mich die Stadt überrascht. Denn obleich dieses ABC stellenweise zutrifft, dominieren Lebendigkeit und ein spannender baulicher Mix aus verschiedensten Epochen.
Trotzdem will ich hier nicht verschweigen: Ceaușescus gigantische Bauten prägen Bukarest. Und ja, damit geht viel Beton einher. Und ja, Rumänien ist erkennbar das ärmste Land der EU (insbesondere wenn ich es mit dem jüngst bereisten Bulgarien und der Ukraine vergleiche). Dennoch prägen diese Aspekte das, was Bukarest positiv auszeichnet, weil sie spannende Gegengewichte zur baulichen Pracht bilden, die sich so zahlreich in Bukarest findet.
Daher möchte ich euch Bukarest so verstell, wie man es beispielsweise für einen kurzen Citytrip berreisen könnte. Drei Tage durch ganz unterschiedliche Teile und Eindrücke der Stadt!
Tag 1: Lipscani und Jugendstil
Vor meiner Reise las ich mehrfach, Bukarest sei schlecht fußläufig zu erkunden. Aber das stimmt nicht. Alles, was ich hier für einen ersten Tag mit ersten Eindrücken schildere, lässt sich problemlos erschlendern.
Das alte Leipziger-Viertel, Lipscani, bietet dafür den perfekten Startpunkt. Es bildet den Rest der von Ceaușescu zerstörten Altstadt und zeigt, welche schnuckeligen Gassen es hier einmal gab. In Lipscani gibt es sie noch. Obwohl in diesem Viertel heute vor allem gastronomische Touristenfallen zu finden sind, hat sich Lipscani doch auch wunderschöne Baudenkmäler erhalten, z.B. die winzige Stavropoleos-Kirche mit ihrem oasenhaften Innenhof. Parallel dazu stößt man hier ganz fußläufig auf opulente Prachtbauten wie die Nationalbank oder das kuppelbedachte Gebäude der CBC-Bank. Ein Tipp für Bücherfans ist die sagenhafte Buchhandlung Cărturești Carusel mit riesigen Balustraden und eleganten weißen Säulen im Inneren!
Ich selbst bin von Lipscani, das leicht erhöht liegt, hinunter zum Fluss. Denn auch den gibt es, obgleich klein. Wer ihm ein wenig nach Norden folgt und dann wieder rechter Hand in die Straßen einbiegt, der gelangt fast unweigerlich zu weiteren wunderschönen Bauten wie dem Militärclub. Hier befindet man sich bereits an der Calea Victoriei, der alten Prachtmeile Bukarests, und kann ganz gemütlich zum Athenäum schlendern, vorbei am Denkmal der Wiedergeburt und dem alten Königspalast. Dabei stößt man immer wieder auf absurd versteckt liegende kleine Kirchen, die sich in Bukarest unzählig finden. Das prachtvolle Athenäum, ein Theater, empfehle ich unbedingt für eine Besichtigung.
Spätestens an der Piata Romana, einem der zahllosen großen Kreisel Bukarests, sollte man dann aber den östlich der Calea Victoriei gelegene sozialistischen Riesen-Boulevard überqueren, denn jenseits dieser ganz furchtbar verstopften Giga-Straße befindet sich das alte arminische Viertel (Cartierul Armenesc), das ein gänzlich anderes Stadtbild bietet: Hier und in den umliegenden Straßen finden sich viele alte Villen der Jahrhundertwende 1900, die heute einen leicht dekadenten Charme mit viel Patina versprühen. Touristen trifft man hier wenige, dafür tummeln sich in Innenhöfen und wunderschönen Gärten, für die sich das Wort Biergarten eigentlich verbietet, die hippen Bukarester und viele ortsansässige Internationals. Hier sollte man auf jeden Fall in einem Lokal einkehren und das pralle Leben aufsaugen (Tipps folgen unten).
Wer nun zurück nach Lipscani möchte, könnte über den Universitätsplatz gehen. Aber auch die U-Bahn ist nah (Infos zu Bus und Bahn folgen ebenfalls unten)
Tag 2: Eintauchen in die Vergangenheit
Kein Gebäude steht bildlicher für Bukarest als der gigantische Palast des Volkes, der heutige Sitz des Parlaments. Seine Größe überschreitet das Vorstellungsvermögen. Ich habe ihn mir auch deshalb für den zweiten Tag aufgespart, weil ich zuerst einen anderen, echteren Eindruck von Bukarest gewinnen wollte. Denn für Ceaușescus Palast mussten große Teile der Altstadt und der dort lebenden Menschen weichen. Umzingelt wird der Palast von großen Querachsen, die die alte Stadtstruktur vollends aufsprengen.
Der Palast des Volkes kann nur mit einer Führung besucht werden, aber die 40,- Lei (8,- Euro) sind gut investiert. Ich empfehle, früh zu kommen, weil Online-Buchungen Stand 2022 nicht möglich sind. Ich selbst hatte auf die 11-Uhr-Führung gehofft, die aber dreißig Minuten vorher natürlich ausgebucht war. Für 12:00 Uhr gab es aber Tickets und die 90 Minuten Wartezeit ließen sich gut mit einem Spaziergang um den Palast verbringen. Ich empfehle diesen Spaziergang auch deshalb, weil sich hinter dem Palast die hübsche, kleine St. Johannes-Kirche befindet, die vor Ceaușescus Wahnsinn gerettet wurde. Direkt neben ihr entsteht aktuell eine neue Kathedrale der rumänischen Orthodoxie – erneut jede Dimension sprengend! Somit ist die Zeit bis zur Palastführung gut verbracht, denn Cafés etc. sucht man in der durch und durch technokratischen Welt rund um den Palast vergeblich.
Der Palast selbst lohnt aber alles Warten! Die schiere Größe erschlägt den Betrachter, alles hier ist auf Prunk und Protz ausgerichtet. Ich erspare mir die Zahlen, die man mit wenighen Klicks online findet und die auflisten, wie viel Marmor verbaut und wie viele Menschen für den Bau umgesiedelt wurden. Beeindruckt hat mich aber aber tatsächlich, dass alle Baustoffe des Palastes zu (fast) 100% aus Rumänen selbst stammen – wobei natürlich immer zu bedenken bleibt, dass in der sozialistischen Bauphase dafür das gesamte Land in Armut gestürzt wurde. Obwohl nur 3% des Gebäudes, das heute Parlamentspalast heißt, zu besichtigen sind, dauert die Führung ca 90 Minuten und führt durch über einen Kilometer Palastflure. Am Ende wartet als Highlight der große Balkon, den Ceaușescus nie betreten hat und von dem stattdessen angeblich Michael Jackson die falsche Stadt grüßte („Hello, Budapest!“). Durch die aktive Nutzung des Gebäudes ist der Palast übrigens nur über einen Seiteneingang mit Sicherheitskontrolle erreichbar. Dieser Eingang befindet sich vor dem Palast stehend im rechten, nördlichen Seitenfügel. Informationen zu Führungen findet ihr hier.
Ich selbst benötigte nach dem erschlagenden Prunk des Bukarester Parlamentspalast etwas Ruhe und so hatte ich mir bereit zuvor eine kleine Oase außerhalb der touristischen Hotspots ausgesucht: den Friedhof Cimitirul Șerban Vodă. Obgleich nicht wirklich nah am Palast gedlegen, lässt er sich gut erreichen, wenn man den Bulevardul Unirii einige Minuten zurück Richtung Zentrum geht und am Piata Unirii die Straßenbahnlinie 7 nimmt. Trams sind für mich stets ein Highlight, weil sie das echte Leben an den Fenstern vorbeigleiten lassen.
Der Friedhof selbst, die älteste und renommierteste Grabesstätte in Bukarest, begeistern mit prachtvollen Grabmonnumenten, häufig ins 19. Jahrhundert zurückdatiernd. Dennoch bietet der Ort Stille und zeigt eine vergangene Bukarester Welt. Wer Rang und Namen hat, lässt sich noch heute hier beerdigen.
Tag 3: Klein Paris, grüne Lunge und Eintauchen in den Alltag
Für den dritten Tag hatte ich mir den Triumphbogen und das beeindruckende Pressehaus vorgenommen. Für beide muss man den endlosen Boulevards doch recht weit folgen, hier ist Bukarest dann tatsächlich einmal nicht fußläufig, aber eine Mischung aus U-Bahn und E-Scooter löst das Problem (die gängigen Taxi-Apps vermittel in der Regel auch Scooter, die wirklich überall stehen und auf breiten Fuß-/Radwegen auch gefahrlos zu fahrfen sind). Der Triumphbogen verdeutlicht, woher Bukarests Ruf als „klein Paris“ stammt.
Neben dem Triumphbogen befindet sich der große Herăstrău-Park, der beweist, dass Bukarest alles andere als eine graue Metropole ist. Leider hatte während meines Besuchs zu Ostern der Fährbetrieb auf dem großen See im Park noch nicht begonnen, die Boote wurden gerade für den Sommer herausgeputzt, aber ich stelle mir den Erholungswert immens vor (die Fähren starten etwa am Hard Rock Café). Aber Erholung lässt sich ja auch immer bei einem Drink finden finden und nette Bars am Ufer gibt es etliche!
Ich selbst habe nach dem See erneut mit einem E-Scooter einen Abstecher zur verrückt versteckten Craft-Beer-Bar und Brauerei Ground Zero unternommen, die schwer zu finden zwischen Garagen und Werkstätten etwa 1,5 Kilometer östlich vom Herăstrău-Park entfernt liegt und genau den Industriecharme gepaart mit hippem Bier bietet, den ich gerne mag.
Wer noch ein wenig tiefer in das echte Bukarester Leben eintauchen will, dem empfehle ich erneut eine Fahrt mit der Tram (die Haltestelle befindet sich unweit der Brauerei) quer durch den östlichen Teil der Stadt hin zum riesigen Obor-Markt, auf dem es schlicht alles gibt: Obst, Gemüse, Fleisch, Fisch, Haushaltswaren, Wein, unvermeidbar naturlich die regionale Spezialität Mici und viele, viele Dinge, von denen man bis dahin gar nicht wusste, dass es sie überhaupt gibt. Nichts steht für mich so sehr für Osteuropa wie das lebendige Markttreiben auf genau solchen Freiluftmärkten – von denen sich allerdings ein großer Teil auch in dazugehörigen Hallen befindet. Und natürlich kann man hier ganz wunderbar einfach und geerdet essen und trinken – man sollte nur nicht zu empfindlich hinsichtlich Gerüchen und Eindrücken sein. Aber damit bin ich ja eigentlich schon beim nächsten, wichtigsten Thema jeder Reise:
Essen und Trinken
Natürlich rate ich, so wie immer, nicht in der Altstadt, also nicht in Lipscani zu essen. Ausnahmen bilden vielleicht die beiden Traditionshäuser mit reichlich lokaler Küche Hanu‘ lui Manuc und Caru cu Bere. Ersteres findet sich im Gebäude einer alten Karawanserei aus osmanischen Zeiten, zweites präsentiert sich vor allem im Inneren als extrem fotogenes Brauhaus mit viel edler Holzvertäfelung. Kaffefreunden wird außerdem das hippe The Urbanist gefallen, eine Mischung aus Café, Atelier und Bar.
Mein wirklicher Tipp für den abendlichen Drink oder etwas zu essen sind jedoch das alte Armenierviertel und die nördlich davon gelegenen Straßen. Hier wimmelt es vor allem in der warmen Jahreszeit von kleinen Innen- und Hinterhöfen, die zu wunderbar pitoresken Biergärten umgestaltet wurden. Ich empfehle die zusammengehörigen Gartenlokale Gradina Eden und der prachvolle Sera Eden sowie das Kulturlokal Lente Dionisie Lupu. Hier lassen sich unfassbar schöne (Früh-)Sommernächte genießen! Ihr sitzt zwischen alten Jugenstilvillen, die noch nicht völlig perfektioniert durchrenoviert sind, und genießt das warme Bukarester Treiben.
Für Craft-Beer-Fans gibt es in dieser Gegend übrigens auch etwas, nämlich das Taphouse der Hop Hooligans – nicht nur für das Bier ist die Location ein Muss, auch Gebäude und Vorhof versprühen ganz viel Charme!
Aber auch eine ganz andere Seite der Stadt bietet spannende Locations. So findet ihr südlich das Piața Unirii z.B. den coolen und alternativen Fabrica Club, der bei gutem Wetter ebenfalls eine spannenden, industrillen Außenbereich bietet. Rund herum gibt es ein paar weitere angeseagte Locations. Ich selbst habe den Weg zum Club für einen kleinen Abstecher über den Patriarchenhügel genutzt, dessen Kathedrale bei Nacht wunderbar beleuchtet wird.
Wer übrigerns nur einen Snack auf die Hand sucht: Wie überall in Osteuropa gilt auch in Bukarest, dass es gefüllte Teigtaschen auf die Hand gefühlt überall gibt.
Geld
In Rumänien bezahlt man mit dem Lei, genauer gesagt mit dem neuen Lei (RON), der aktuell etwa im Wert 5:1 zum Euro liegt. Kartenzahlung ist fast überall möglich. Ein wenig Kleingeld in der Tasche, z. B. 1-Lei-Scheine (Münzen sind faktisch bedeutungslos) empfehle ich, denn gebettelt wird wirklich viel. Unsicher habe ich mich dadurch nie gefühlt, hatte aber immer wieder das Bedürfnis, doch eine Kleinigkeit zu geben.
Anreise, Verkehr und ÖPNV
Bukarests zentraler Flughafen Otopeni ist heute gut von vielen deutschen Städten erreichbar. Nicht unterschätzen sollte man seine Größe und die dadurch entstehenden langen Wege im Terminal, vor allem bei der Abreise.
Direkt vor dem Flughafen fährt der Bus 783 ins Zentrum. Er gilt als Schnellbus, benötigt aber doch fast 50 Minuten. Ein Taxi ist da schneller und wenn über eine App bestellt auch sicher und nicht sehr teuer (ca. 12 Euro).
Aber egal ob Bus oder Taxi: Schon bei der Ankunft werdet Ihr erste Erfahrungen mit dem Bukarester Verkehr machen. Stau ist eigentlich immer, selbst achtspurige Straßen fangen die Massen an Autos nicht auf. Und trotz der vielen Kreisverkehre in der Stadt werden diese nicht wirklich in französischer Ordnung genutzt, sondern stets kreuz und quer und irgendwie. Und gehupt wird ohnehin andauernd.
Wirklich frei von diesem Chaos verkehrt in Bukarest eigentlich nur die U-Bahn. Sie besteht aus drei Linien, Tickets gibt es immer mindestens im Zweierset immer an einem Schalter kurz vor dem unterirdischen Drehkreuz. Eine Fahrt kostet 3 Lei.
Die Tickets der U-Bahn lassen sich leider nicht mit denen von Bus und Tram kombinieren. Also Achtung, mit einem U-Bahn-Ticket fährt man im Bus schwarz. Überhaupt hat sich mir das Verkaufssystem für Bustickets nicht erschlossen: Nur einige wenige Haltestelle besitzen Ticketschalter – und diese sind dann oft geschlossen. Ich empfehle also die Tram, also die Straßenbahn. Die Preise und das Zweiersystem gleichen der U-Bahn, aber auch hier ohne Kombinierbarkeit. Aber eine Tramfahrt mit den noch recht sozialistisch anmutenden Straßenbahnen ist ein Highlight, bei dem man zwar gut durchgeruckelt wird, aber die Stadt ganz anders erlebt! Straßenbahntickets bekommt ebenfalls direkt an den Haltestellen.
Fazit
Bukarest hat mich unglaublich positiv überrascht! Es ist eine junge Stadt mit ganz vielen spannenden Cafés und Bars und dazu mit einer unglaublich reichen Baukultur. Wer bereit ist, das touristische Lipscani-Viertel zu verlassen und auch abseitig auf Entdeckungstour zu gehen, der kann hier drei bis fünf ganz wunderbare Tage verbringen. Und natürlich solltet ihr ein wenig den abblätternden Charme des Ostens mögen. Dann wird euch Bukarest gefallen – es ist ein kleiner Geheimtipp!
3 Antworten auf „Bukarest: Vielfalt im Urban Jungle“