Falls Serbien bisher nicht auf eurer Reiseliste stand, dann solltet ihr das schnell ändern, vor allem wenn ihr Osteuropa mögt. 2022 und sicher auch noch 2023 eignen sich dabei perfekt für einen Citytrip nach Novi Sad, denn die zweitgrößte Stadt Serbiens hat sich für ihr Jahr als europäische Kulturhauptstadt herausgeputzt und trotzdem viel Balkan-Charme bewahrt.
Novi Sad im Sommer, das heißt Donau, gut gefüllte Terrassen, konstante Temperaturen über 30 Grad. Da stört es wenig, dass Serbien als Reiseland kein Meer und keine Sandstrände bietet. Trotzdem ist die Kleinstadt im Norden Serbiens mit ihren ca. 250.000 Einwohnern bisher vermutlich nur Balkan-Insidern ein Begriff. Nach meinem dreitägigen Besuch würde ich jedoch sagen: zu unrecht! Novi Sad bietet einen spannenden kulturellen Mix, katholische, orthodoxe, ungarische, serbische sowie post-spozialistische Einflüsse treffen hier aufeinander und gleichzeit erlebt man eine junge Stadt mit vielen schicken Bars, Cafés und Restaurant.
Belgrad oder Novi Sad?
Gelesen hatte ich im Vorfeld viel Positives über Novi Sad: Schöne Altstadt, an der Donau gelegen, hipper als Belgrad. Und bis auf den letzen Punkt würde ich rundum zustimmen – Novi Sad mag allein durch seine deutlich kleinere Einwohnerzahl nicht mit Belgrads Szeneleben mithalten könnnen, aber es sich wirklich malerisch und lebendig!
Dies gilt allen voran für die gut erhaltene Altstadt, die baulich den Charme des 19. Jahrhunderts versprüht und immer wieder mit kleinen Gassen, Passagen und belebten Innehöfen überrascht. Dabei dominieren katholische Kirchen das Stadtbild und optisch erinnert vieles an die österreichisch-ungarischen Einflüsse der ca. 200 Jahre habsburger Herrschaft. Bis heute lebt hier eine ungarische Minderheit.
Das historische Zentrum der Stadt liegt dabei auf der gegenüberliegenden Seite der mächtigen Donau. Die frühneuzeitliche Festung Petrovaradin diente den Österreichern als Schutz vor den Osmanen und kann heute besichtigt werden. Von hier oben genießt man vermutlich den schönsten Blick über Novi Sad. Dieses bildete ursprünglich den hinter der Festung auf der geschützten Seite des Flusses gelegenen Siedlungsraum für Händler und Handwerker, die sich nicht in der Festung selbst niederlassen durften.
Dabei stellt die Donau bis heute einen Einschnitt in der Stadt dar. Zwar wurde die von der NATO im Rahmen des Kosovokrieges 1999 zerstörte Brücke, die heutige Friedensbrücke, wieder aufgebaut, dennoch wendet sich Novi Sad nicht unbedingt dem Fluss zu und die Uferpromenade ist wenig erschlossen. Dafür gibt es jedoch etwa 20 Minuten vom Stadtzentrum entfernt das Strandbad „Štrand. Es kostet zwar einen geringen Eintritt, aber dann lässt sich hier fast wie an einem echten (Meeres-)Strand der Tag verbringen.
Überhaupt lohnt es sich in Novi Sad auch außerhalb der Altstadt, gemütlich durch die an das Zentrum angrenzenden Stadtteile zu schlendern. Vor allem Rotkvarija und Podbara bieten viel alte Bausubstanz, die zum Glück noch nicht immer gänzlich durchrenoviert ist.
Natürlich hat Novi Sad auch ein anderes Gesicht und die unvermeidlichen Plattenbauten gibt es auch hier, allerdings stören sie den positiven Gesamteindruck wenig.
Kulturhauptstadt
Ich war durch den Titel der europäischen Kulturhauptstadt auf Novi Sad aufmerksam geworden, denn ich mag dieses oft kritisierte Konzept der EU, Städten unterhalb des touristischen Radars eine Bühne zu bieten, auch denen von Beitrittskandidaten, so wie im Falle Serbiens. Tatsächlich hat sich Novi Sad mit seiner historischen kulturellen Vielfalt diesen Titel durchaus verdient.
Neben dem über die Zeiten Gewachsenen haben mich aber auch die vielen Graffitis und Streetart-Objekte überzeugt, die sich immer wieder in der Stadt finden. Dabei war es weniger das für seine alternative Szene gelobte chinesische Viertel, das mich beeindruckt hat, als vielmehr die Gesamtheit der städtischen Wandkunstwerke. Jenes Kineska Četvrt habe ich natürlich aufgesucht – man findet es heute in jedem Reisebericht über Novi Sad – aber gerade hier war es mir dann fast zu gewollt und zu wenig gewachsen urban.
Essen und Trinken
In drei Tagen lässt sich eine Stadt kulinarisch nicht erfassen, aber ein paar Tipps habe ich trotzdem für euch. Grundsätzlich kann man in Novi Sad immer durch die Altstadt schlendern, hier reiht sich Café an Café und vor allem in vielen Innenhöfen finden sich Bars, Biergärten und Restaurant – also unbedingt einmal einen Torbogen hinter sich lassen und die Innenhöfe durchwandern, was erlaubt und gewollt ist.
Gut und balkantypisch essen könnt ihr im kleinen Grillrestaurant Kod Šervala am Republikplatz wenige Meter vom dortigen Markt entfernt. Hier werden vor allem Cevapcici-Fans glücklich, aber es gibt viele weitere Grill-Gerichte und dazu einig lokale Biere und Weine.
Direkt an der Nordseite des Marktes am Republikplatz liegt auch das Špajz Salaša, das rund um die Uhr einen Mix aus Bar, Café und ganztägier Küche bietet. Hier kann man z.B. schön frühstücken und dabei dem Treiben auf dem Platz zusehen. Sowohl das Špajz Salaša als auch das Kod Šervala ziehen dabei kaum Touristen an, was für mich immer ein Qualitätsmerkam darstellt.
Wer nur einen Snack möchte, findet auch auf dem Markt selbst, dem Riblija Pijaca, einen Snack. Märkte bieten für mich immer ein Highlight einer jeden Stadtreise und auch hier findet ihr einen echten, unverstellten täglichen Markt, wenn auch einen kleinen. Wer es größer mag: Leicht außerhalb des Zentrums in Richtung Bahnhof liegt der überdachte Futoška Pijaca, eine echter, wilder osteuropäischer Markt. Hier gibt es von Haushaltswaren über Lebensmittel bis hin zu Fan-Artikeln des FK Voivodina einfach alles.
Wer bereit ist, die Altsdtadt und das Zentrum von Novi Sad ein wenig zu verlassen und ca. 15 Minuten durch den schönen Stadtteil Podbara mit vielen Altbauten zu schlendern, dem empfehle ich das Project 72 mit einer wunderbar-kreativen Crossoverküche, die serbische und internationale Einflüsse neu zusammenstellt. Das Lokal gehört zwar für Novi Sad zu den preislich gehobeneren, dennoch lohnt der Besuch, und sei es nur für ein herzhaftes Karotteneis.
Auf der anderen Seite der Altstadt, also rund um den Pupina-Bulevar, sind die versteckte Bar Cirkus mit ihrem schönen Biergarten sowie das Café Bulevar Books, eine Kombination aus Buchhandlung und Café, kleine Tipps. Allen Craft-Beer-Freunden empfehle ich außerdem, eine Busfahrt zum Stadtrand zu unternehmen und die Brauerei Zbir mit angeschlossenem Taproom zu besuchen – die Biere haben mich wirklich überzeugt. Wer mehr lesen will, findet hier einen eigenen Bericht.
Kulinarisches Highleight von Novi Sad sind jedoch zweifelsohne die unzähligen Popcorn-Stände, die sich wirklich an jeder Ecke finden und deren Beliebtheit sich mir nicht ganz erschlossen hat. Dennoch habe ich natürlich auch einmal probiert: Doch, abends mit einer kleinen Tüte Popcorn durch die Altstadt zu wandeln, das hat schon etwas.
Schrift und Sprache
Vielleicht schreckt euch die in Serbien verwendete kyrillische Schrift von einer Reise ab, aber hier kann ich euch mit Blick auf Novi Sad beruhigen: Die Stadt ist derart stark ungarisch geprägt, das das Kyrillische hier die absolute Ausnahme bildet und fast überall die lateinische Schrift Verwendung findet.
Auch sprachlich fallen die Barrieren gering aus, Englisch ist weit verbreitet und auch viele Speisekarten sind zweisprachig. Natürlich empfehle ich immer, wenigstens einige wenige Worte in der Landessprache zu beherrschen, rein aus Gründen der Höflichkeit, aber notwendig ist es nicht. Serbien ist ein nach Westen ausgerichtetes, modernes Land und das merkt man auch sprachlich. Grundsätzlich ist das Serbische mit dem Kroatischen sehr eng verwandt (Stichwort Serbokroatisch) – wer also Kroatien bereits bereist hat und hier einige Worte aufschnappen konnte, dem hilft das auch in Serbien.
Was sich hoffentlich von selbst versteht: Serbien ist ein sicheres Reiseland, Angst muss hier wirklich niemand haben.
Anreise, Geld, Handy
Nur ca. 70 Kilometer von Belgrad entfernt gelegen lässt sich Novi Sad gut über den Belgrader Flughafen erreichen. Einen Direktbus ab Flughafen habe ich nicht gefunden, aber die Verbindung mit Bus und Bahn ist ebenfalls gut. Da Belgrads zentraler Busbahnhof direkt vom Flughafen mit einem Shuttlebus angefahren wird, empfehle ich diesen Weg. Mehrere Busgesellschaften fahren von dort Novi Sad an, so dass man eigentlich nicht lange auf den nächsten Bus warten muss. Die Fahrt mit Endstation Novi Sad Bahnhof dauert ca. 90 Minuten – also durchaus dreißig Minuten länger als mit dem Zug – und kostet nur wenige Euro. In Novi Sad angekommen nimmt man am besten einen der vor dem Bahnhof startenden Stadtbusse richtig Altstadt – hier kann man eigentlich nicht viel falsch machen, da fast jeder Bus in diese Richtung fährt. Fragen hilft! Bussetickets in Novi Sad können direkt beim Fahrer bezahlt werden, die Fahrt kostet 150,- Dinar (ca. 1,20 Euro), die man am besten passend in der Tasche hat.
Der serbische Dinar steht aktuell (Stand 2022) in einem Kurs von ca. 120:1 zum Euro, Münzen sind bei derart großen Zahlen eher wenig verbreitet oder fast wertlos (obgleich durchaus vorhanden), ihr werdet also fast immer größere Mengen an Geldscheinen im Portemonnaie haben. Durchaus üblich ist es jedoch, dass fast überall mit (Kredit-)Karte bezahlt werden kann, auch kleine Summen.
Grundsätzlich ist Serbien ein günstiges Reiseland. Häufig kann man hier noch für 10,- Euro gut essen. Lokale Weine und Biere großer Brauereien kosten ca. 150 bis 200 Dinar und handwerklich produzierte Craft Biere um die 350 Dinar.
Selbstverständlich wolltet ihr vor der Anreise an eurem Handy alle mobilen Daten und v.a. das Roaming erst einmal ausschalten – Serbien liegt nun einmal nicht in der EU und da werden mobile Daten schnell teuer. Ich selbst habe mir direkt am Flughafen eine SIM-Karte der serbischen Vodafone-Tochter gekauft. Eine Registrierung ist nicht nötig, der Stand liegt praktischer Weise mittig im Ankunftsbereich des Belgrader Flughafens.
Fazit
Novi Sad hat mich als Reiseziel, insbesondere im Sommer, sehr positiv überrascht. Das Stadtzentrum präsentiert sich malerisch, insgesamt wirkt vieles jung und lebendig. Wer den etwas wilden Charme Osteuropas kombiniert mit gutem Essen und netten Bars mag, der wird sich hier wohl fühlen. Drei bis vier Tage, vielleicht noch mit einem Abstecher ins barocke Sremski Karlovci, sind eine gute Reisedauer. Also fügt Novi Sad ruhig eurer persönlichen Rese-Liste hinzu!
Eine Antwort auf „Novi Sad: Kultur am Donaustrand“